Communal Life of Women Religious: Authority, Legitimacy, Recognition

Communal Life of Women Religious: Authority, Legitimacy, Recognition

Organisatoren
Société d’Etudes Interdisciplinaires sur les Femmes au Moyen Age et à la Renaissance (SEIFMAR)
Ort
Basel
Land
Switzerland
Vom - Bis
26.05.2017 - 27.05.2017
Url der Konferenzwebsite
Von
Anna Cristina Münch, Departement Geschichte, Universität Basel

Am 26. und 27.5.2017 fand die von der „Société d’Etudes Interdisciplinaires sur les Femmes au Moyen Age et à la Renaissance“ (SEIFMAR) organsierte Tagung „Communal Life of Women Religious: Authority, Legitimacy, Recognition“ an der Universität Basel statt. Im Zentrum der Tagung standen Fragen nach Machtpraktiken und Grenzen der Autorität religiöser Frauenkommunitäten während des europäischen Mittelalters und in der Frühen Neuzeit.

Die Organisatorin ANNALENA MÜLLER, eröffnete die Tagung und hieß die Gäste willkommen. In ihrer Einführung verwies sie darauf, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Forschung über geistliche Frauen zu einem dynamischen Forschungsfeld in den Bereichen der Geschichte, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft entwickelt hat. Jedoch grenzen nationale und sprachliche Barrieren den Austausch unter den Forschern nach wie vor ein. Ein zentrales Anliegen der Tagung was es daher, diese Barrieren aufzuheben, um einen interdisziplinären und internationalen Dialog über Wandel und Kontinuität zu ermöglichen.

Die erste Sitzungsperiode, geleitet von MONIKA MOMMERZ (Basel), behandelte das Thema der weiblichen Autorität über die Klostermauern hinaus, und der erste Beitrag wurde von TERESA SCHRÖDER-STAPPER (Essen) gehalten. Sie setzte sich mit der Beziehung zwischen den freiweltlichen Reichsstiften Essen, Herford, Quedlinburg und dem Heiligen Römischen Reich im 17. und 18. Jahrhundert auseinander. Schröder-Stapper zeigte die Schwierigkeiten, mit welchen sich die Vorsteherinnen der Reichsstifte konfrontiert sahen, wobei die Beziehung zwischen Reich und Stiften eine wichtige Rolle spielte. Obwohl der Kaiser seinen Einfluss beständig über die mindermächtigen Reichsstände, zu denen auch die Stifte gehörten, ausweitete, kam Schröder-Stapper zum Schluss, dass die Damenstifte nicht von der politischen Landkarte auszulöschen waren. Denn das Ineinandergreifen unterschiedlicher Interessen und Abhängigkeiten, entstanden durch die Verflechtung der Äbtissinnen in unterschiedliche Beziehungsnetzwerke, sicherte deren Existenz.

JASMIN HOVEN-HACKER (Greifswald) sprach in ihrem Vortrag über die Einflussmöglichkeiten hochadeliger Religiosen im 15. Jahrhundert. Sie widmete sich den Fragen, inwiefern die Töchter, Schwestern und Tanten/Nichten der Reichsfürsten in den Reformprozessen ihrer Kommunitäten eine Rolle spielten, wie ihr Leben im Konvent durch die Reform verändert wurde und ob sie unmittelbar an den jeweiligen Reformen beteiligt waren. Anhand verschiedener fürstlicher Töchter versuchte sie aufzuzeigen, wie sich die direkten Auswirkungen einer Reform zeigen könnten. Sie kam zu dem Schluss, dass ihr Einfluss häufig begrenzt war, dennoch bot diese Forschung Einblicke in die Art und Weise, wie die Reform betrieben worden war und zeigte die Verwandtschaftsverhältnisse auf.

Der Vortrag von ANNALENA MÜLLER (Basel) stellte die Bedeutung der Reform des französischen Ordens von Fontevraud für den politischen Aufstieg der Bourbonen im 16. Jahrhundert heraus. Die Zentralisierung des Ordens durch die aktive Reform zweier Äbtissinnen aus dem Haus Bourbon-Vendôme, gab den aufstrebenden Bourbonen Zugang nicht nur zum Reichtum Fontevrauds, sondern auch über die großen Gebiete unter fontevristischer Kontrolle. Des Weiteren zeigte Müller, dass die in der Reform eingeführte Klausur keinen Machtverlust der monastischen Institution mit sich brachte, sondern im Gegenteil dazu führte, dass der Orden in eine politische Institution umgewandelt werden konnte und so den Bourbon-Vendôme die territoriale Expansion erst ermöglicht wurde.

Der zweite Teil der Sitzung, geleitet von MARIA TRANTER (Basel), widmete sich dem Verhältnis von weltlichen Mäzen zu den weiblichen Monasterien und wurde eingeleitet von KATHLEEN-WILSON CHEVALIER (American University of Paris). In ihrem Vortrag beleuchtete sie das Leben geistlicher Frauen innerhalb und außerhalb von Konventen um das 16. Jahrhundert. Sie untersuchte Themen wie Macht, Religion, Wohlstand, Armut, Fortpflanzung, Krankheit und Tod während der Herrschaft von Louis XI und Charlotte de Savoie (bis 1483) in Frankreich. Sie fügte hinzu, dass die Ausübung christlicher Nächstenliebe ein entscheidendes Mittel für die Festigung weiblicher Macht in einem zutiefst hierarchischen Europa war. Für Frauen von Adel verband sich religiöse Hingabe zu wohltätigen Bestrebungen mit ihrem persönlichen Status.

IRIA BLANCO BREY (Santiago de Compostela) sprach über Doppelklöster im Nordwesten der Iberischen Halbinsel und arbeitete die Rollen heraus, die (adeligen) Frauen darin zuteil werden konnten. Zu Beginn sprach Blanco Brey über die Entstehungsgeschichte der Doppelmonasterien auf der ganzen Iberischen Halbinsel im 6. Jahrhundert, die bis ins 12. Jahrhundert hinein bestanden. Frühmittelalterliche spanische Doppelklöster kannten keine einheitliche Organisationsform, mal war ein Abt, mal eine Äbtissin Vorsteher/in der Monasterien, auch beide gleichzeitig war eine Möglichkeit. Die Doppelkommunitäten wurden meist von weltlichen Fürsten gegründet und galten als Teil des Familienerbes und eigneten sich, um die Macht der Familie zusammen zu halten. Zur Veranschaulichung führte Blanco Brey einige Beispiele von Äbtissinnen auf und beendete ihren Vortrag mit der Aussage, dass die doppelten Monasterien bis ins 11. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel die am häufigsten vorkommende Art eines Monasteriums war.

Die Keynote von SIGRID HIRBODIAN (Tübingen) schloss den ersten Konferenztag. Hirbodian widmete sich den mächtigsten Äbtissinnen, nämlich solchen, die geistliche Reichsfürstinnen waren, also direkt dem Kaiser unterstellt waren und über Sitz und Stimme im Reichstag verfügten. Im Zentrum des Vortrags stand die Frage, ob jene Fürstäbtissinnen Herrschaft, im Sinne von Max Weber, ausübten. Hirbodian berücksichtigte sowohl informelle Macht als auch institutionalisierte Formen äbtissischer Macht. Am Schluss widmete sie sich der Frage, ob sich Äbtissin und Abt in der Ausübung von Macht/Herrschaft unterschieden. Zur Veranschaulichung führte sie das Fraumünster in Zürich auf und kam zum Schluss, dass sich die Äbtissinnen nicht von anderen geistlichen Herrschern unterschieden. Der einzige Unterschied lag darin, dass ihnen der geistliche Karriereweg qua Geschlecht verwehrt bleib.

Der zweite Tag, eröffnet von MAIKE CHRISTADLER (Basel), setzte sich mit den Ausprägungen von Autorität in Liturgie, Frömmigkeit und Kunst auseinander. Einen kunsthistorisch-architektonischen Einblick bot STELLA FERRARI (Mailand), indem sie das Prinzip „Kirchensysteme“/„Kirchenfamilien“ (nach Edgar Lehmann: Eine Gruppe nah beieinanderstehende Kirchen, die liturgisch zu einer Einheit zusammengehören) auf die norditalienischen Frauenklöster anwendete. Ferrari fügte hinzu, dass die räumliche Organisation/Anordnung der Gebäude in den ersten Frauenklöstern Italiens durchaus als „Kirchenfamilien“ betrachtet werden können, weil ein inneres und ein äußeres Oratorium vorhanden waren; die französischen Klöster Nivelles und Jouarre dienten ihr als weitere Beispiele außerhalb Italiens.

MERCEDES PÉREZ-VIDAL (Padua) konzentrierte sich in ihrem Vortrag auf die Bedeutung von Reliquien bezüglich der Entstehung kollektiver Identitäten und für die Erinnerungskultur (Memoria) in dominikanischen Nonnenklöstern. In einem weiteren Schritt stellte sie heraus, wie durch Förderung dieser Reliquien, ihre Macht verstärkt oder wiederhergestellt werden konnte. Zusammenfassend stellte Pérez Vidal fest, dass die heilige Autorität, welche die Reliquien einer Institution verliehen, sich immer wieder verändert und somit neu definiert werden musste. Ebenso sind kollektive Identität und Erinnerung an den Erwerb und die erfolgreiche Zurschaustellung von Reliquien gebunden.

Die vierte Session, geleitet von ANNALENA MÜLLER (Basel), betrachtete das häufig konfliktgeladene Verhältnis zwischen Kloster und Welt. MICHEL MELOT (Paris) eröffnete die Session mit dem Fokus auf die umstrittene Autorität der Äbtissin am Beispiel Fontevrauds. Laut Melot war die Geschichte Fontevrauds geprägt von Konflikten. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Ordensmitgliedern und den Äbtissinnen, Konflikten, aus denen die Äbtissinnen immer als Sieger hervorgingen. Den Grund sah Melot in der politischen Bedeutung, die der Orden seit seiner Gründung im 12. Jahrhundert immer wieder innehatte. Von allen Seiten wirkten Kräfte auf Fontevraud ein, England, Frankreich, der Süden und der Norden. Dank der zentralisiert gehaltenen Organisation unter der Äbtissin, die sich ohne Rücksicht auf Kirchengesetze wehrte, konnte Fontevraud so lange existieren.

JENNIFER C. EDWARDS (Manhattan College) setzte sich in ihrem Vortrag mit angefochtenen Äbtissinnenwahlen im Kloster Sainte Croix de Poitiers auseinander. Ste Croix wurde seit jeher von Frauen des lokalen Adels geführt, der ein Interesse an den wirtschaftlichen und politischen Rechten des Abbatiats hatte. Edwards stellte den schwierigen Balanceakt zwischen der Abhängigkeit des Klosters von adeligen Netzwerken und deren Schutz einerseits und dem Wunsch der Nonnen nach Unabhängigkeit andererseits heraus. Das Spannungsfeld und die Unvereinbarkeit der beiden Interessen trat besonders bei Vakanzen bzw. Neubesetzung des Äbtissinnenamtes in Form von heftigen, zum Teil auch mit Gewalt geführten, Konflikten heraus. Edwards konzentrierte sich auf zwei Fallstudien aus dem 13. und 15. Jahrhundert.

MARGUERITE RANGNOW (University of Minnesota) behandelte die Verteidigung und Konsolidierung der Macht der Äbtissin von Sainte-Marie d’Angers in Frankreich im 11. Jahrhundert. Im Zentrum ihres Vortrags standen dabei Befugnisstreitereien mit dem benachbarten Männerkloster St. Nicolas, Befugnisstreitereien, die allesamt zu Gunsten der Äbtissin ausgingen. Als Quelle dienten ihr Kopialbücher aus dem 13. Jahrhundert. Die darin erzählten Geschichten scheinen dem juristischen Zweck gedient zu haben, quasi als Präzedenzfälle die Rechte der Abtei und der Äbtissin erfolgreich zu verteidigen, um zukünftige Herausforderungen abwehren zu können. Abschließend hielt Rangow fest, dass mittelalterliche Äbtissinnen mächtige Frauen waren, deren Autorität ihren männlichen Gegenübern (Äbten und anderen Kirchenfürsten) in nichts nachstand.

Zum Abschluss der Tagung fassten MERCEDES PÉREZ-VIDAL und STELLA FERRARI die wesentlichen Ergebnisse zusammen. Sie hielten fest, dass die Vortragenden aufgezeigt hatten, dass die geistlichen Frauen bestimmte Strategien entwickelt hatten um ihre Macht zu stärken und beizubehalten. Erreicht wurde dies einerseits durch Kollaborationen oder Verhandlungen mit anderen religiösen und politischen Autoritäten, z.B. männliche Orden, weiteren Stiften, mit dem Kaiser, Fürsten und Königsfamilien. Die geistlichen Frauen mussten sich gegen alle Seiten wehren, um ihre Legitimität und Macht durchzusetzen, teilweise auch durch direkte Kämpfe. Somit steht außer Frage, dass das Equilibrium zwischen weiblichen Klöstern und der Welt ein unstabiles und immer wechselndes und von verschiedene Faktoren abhängiges war, wie bei allen Institutionen der Vormoderne.

Konferenzübersicht:

ANNALENA MÜLLER: Welcome and Introduction

Session 1: Authority Beyond the Cloister

TERESA SCHRÖDER-STAPPER (Essen): „Das weynende Stift“ – The Relationship Between the Free Secular Endowments Essen, Herford and Quedlinburg and the Holy Roman Empire in 17th and 18th Century

JASMIN HOVEN-HACKER (Greifswald): The Duke, his Daughter and the Reform. Family Relationships of Principes and their Daughters in Religious Communities in Times of Change in the Late Middle Ages

ANNALENA MÜLLER (Basel): Abbatial Authority and Enclosure? – The Expansion of Bourbon Authority through Fontevraud’s Reform

Session 2: The Cloister and the Wolrd: Lay Patrons of Female Monasticism

LAURA CAYROL-BERNARDO (EHESS): Queens and Señoras: Fontevraud in Medieval Iberia

KATHLEEN-WILSON CHEVALIER (American University of Paris): French Courtly Ladies Figuring the Lives of Religious Women Inside and Outside the Convent Around the Turn oft he 16th Century

IRIA BLANCO (Santiago de Compostela): Double Monasticism in the Northwest of the Iberian Peninsula: Patronesses and Abbesses. An Approach to Womens Roles

Keynote
SIGRID HIRBODIAN (Tübingen): The Worldly Dominion of Spiritual Women

Session 3: Performing Authority – Performed Authority: Liturgy, Ceremonies and Art

STELLA FERRARI (Milan): „Kirchensysteme“ in North Italian Female Monasteries? Rethinking Liturgical Connections in the Cities Between the 9th Century and the 13th Century

MERCEDES PÉREZ-VIDAL (Padua): Relics and Power. Cult of Relics, Memory, and Liturgical Performance Among Dominican Nuns

Session 4: The Cloister vs. the World: Disputes of Authority

MICHEL MELOT (Paris): Fontevraud’s Order: Class Struggle and Gender Struggle

JENNIFER C. EDWARDS (Manhattan College): Patterns of Disputed Authority: Election Disputes in 13th and 15th-Century Poitiers

MARGUERITE RAGNOW (University of Minnesota): The Pesky Abbesses of Sainte-Marie: Defining and Defending Female Abbatial Authority in the 11th-Century France

MERCEDES PÉREZ-VIDAL (Padua)/LAURA CAYROL-BERNARD (EHESS): Final Discussion and Closing Remarks